Der Stundensatz für das Dolmetschen bei Gericht – die Theorie
Dolmetscher, die bei Gericht arbeiten und direkt beauftragt werden, werden prinzipiell nach dem JVEG, dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz bezahlt. Seit dem 1.1.2021 liegt der Stundensatz hier bei 85 Euro. Vorher waren es 70 Euro oder 75 Euro, abhängig davon, ob konsekutiv oder simultan gedolmetscht wurde.
Die Beauftragung und Bezahlung in der Praxis
In der Praxis bekommen nicht alle Dolmetscher, die bei Gericht dolmetschen, den JVEG-Satz. Die Voraussetzung dafür ist nämlich, dass das Gericht den Dolmetscher direkt beauftragt. Das bedeutet, dass keine Agentur zwischengeschaltet ist. In der Praxis wenden sich die Mitarbeiter der Geschäftsstellen, die einen Dolmetscher suchen müssen, häufig an Agenturen, mit denen sie manchmal schon Jahrzehnte zusammenarbeiten.
Für den Dolmetscher bedeutet das dann, dass er von der Agentur kontaktiert wird und mit ihr das Gehalt verhandelt. Da die Agentur für die Vermittlung natürlich einen Teil vom Kuchen abhaben möchte, bekommt man als Dolmetscher hier keine 85 Euro pro Stunde. Wie viel die Agentur abgibt, ist sehr unterschiedlich. Als „vertretbar“ wird oft eine Aufteilung von 30% zu 70% des Stundensatzes angegeben. Am Ende muss jeder Dolmetscher selbst entscheiden, für welchen Stundensatz er zum Gericht fährt und für welchen nicht. Viele etablierte Kollegen beschließen irgendwann, nur noch Aufträge vom Gericht anzunehmen, wenn sie direkt beauftragt werden.
Was muss ich tun, um bei Gericht nach JVEG bezahlt zu werden?
Dazu muss das Gericht dich direkt beauftragen. Zuständig dafür, Dolmetscher zu suchen, sind die Mitarbeiter der Geschäftsstellen. Für sie geht es, einfach gesagt, darum, nicht ewig herumtelefonieren zu müssen. Einige Möglichkeiten, vom Gericht direkt kontaktiert zu werden:
- Wenn du dich allgemein vereidigen lässt, tauchst du in der Liste der allgemein vereidigten Dolmetscher auf. Einige Geschäftsstellen suchen ihre Dolmetscher aus dieser Liste aus. Oft wird kritisiert, dass in der Liste Dolmetscher stehen, die gar nicht mehr aktiv sind.
- Du kannst die Mitarbeiter der Geschäftsstellen der Gerichte, die in deinem Umkreis liegen, auch direkt kontaktieren und deine Dienste anbieten. Manchmal lohnt es sich, ganz klassisch eine Visitenkarte vorbeizubringen und zu erklären, dass man zur Verfügung steht.
- Der BDÜ NRW gibt Regionallisten heraus, in die sich die betreffenden Mitglieder eintragen lassen können. Auch ich stehe in so einer Liste. Außerdem habe ich vom BDÜ einige Ausgaben der Liste zugeschickt bekommen, die ich bei den Geschäftsstellen in der Region abgegeben habe.
- Das Team von Quatrolingo hat eine App entwickelt, mit der Gerichte und Dolmetscher auf einfache Weise miteinander in Kontakt kommen können. Das Projekt, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, gibt es seit September 2021. Bisher haben sich nach eigenen Angaben mehr als 1000 Dolmetscher und Übersetzer registriert. Das Team von Quatrolingo arbeitet daran, die Gerichte und Behörden in ganz Deutschland über die Möglichkeiten der Direktbeauftragung zu informieren.
Auch ich habe mich vor eine Weile angemeldet und bin gespannt, wie sich das Projekt entwickelt. Aktuell ist die App sogar noch kostenfrei. Später soll es eine Jahresgebühr für alle angemeldeten Dolmetscher geben, die die App nutzen, um von den Gerichten direkt Aufträge zu bekommen.
Fazit: Wichtig ist, dass die Mitarbeiter der Geschäftsstellen dich finden können und wissen, dass du verfügbar bist. Bist du einmal bekannt und hast gute Arbeit gemacht (das darf natürlich nicht vergessen werden), wird man dich sicher auch wieder kontaktieren.
Übrigens: Was sich für die Arbeit der Dolmetscher bei Gericht mit dem neuen Gerichtsdolmetschergesetz ändert, erkläre ich in diesem Blog-Eintrag.